Wie funktioniert das? Der Rettungsablauf.
Die folgende Reportage schrieb Astrid Becher-Mayr über den Rettungsdienst des DRK-Kreisverbandes Potsdam/Zauch-Belzig e.V. und seine Lehrrettungswache in Teltow.
Kennen Sie die Situation? Sie sind im Auto unterwegs, auf einmal hören Sie ein immer lauter werdendes Martinshorn. Der Anblick eines Rettungswagens mit Blaulicht bereitet ein mulmiges Gefühl: „Hoffentlich fährt er nicht zu mir nach Hause!“
Was passiert bei einem Einsatz eigentlich genau? Wie würde es mir ergehen, wenn ich selbst einmal in eine lebensbedrohliche Situation käme?
Organisation
Antworten über den Ablauf eines Rettungsdiensteinsatzes finde ich beim Roten Kreuz. Hier erfahre ich viel über den Einsatz von Rettungswagen (RTW), Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF), die Erstversorgung am Notfallort, das Zusammenspiel von Rettungsassistenten und dem Notarzt, die Hilfsfrist, die besagt, dass der Rettungsdienst innerhalb von zehn, maximal fünfzehn Minuten nach Eingang des Notrufes beim Patienten sein muss.
Nach vielen Gesprächen denke ich, das hört sich alles sehr professionell und gut organisiert an. Aber meine eigentliche Frage: wie ist das tatsächlich vor Ort, was empfindet der Patient? - Das alles bleibt irgendwie unscharf, nicht fassbar.
In dieser Situation kommt vom Roten Kreuz ein besonderer Vorschlag: ob ich nicht selber einmal in die Rolle einer Notfallpatientin schlüpfen wolle. Diese Idee gefällt mir – gleichzeitig spüre ich ein leichtes Flattern im Bauch – und ich stimme zu. Wir beschließen, einen für den Rettungsdienst typischen Notfall zu simulieren: den Verdacht auf einen Herzinfarkt. Alle haben grünes Licht für unser Projekt gegeben: die Rettungswache – dort ist der Rettungswagen stationiert, die Notärztin und das zuständige Krankenhaus.
Es geht los
An einem wunderschönen Wintertag - blauer Himmel, klare Luft - sitze ich am Schreibtisch, arbeite. Ich versuche mir vorzustellen, wie der Tag bisher gelaufen sein könnte. Vielleicht fühlte ich mich bereits am Morgen schon etwas matt, habe ein Ziehen irgendwo da zwischen den Rippen, vielleicht auch im Arm gespürt, schiebe die Beschwerden beiseite, muss meine Termine erledigen, beachte die feinen Signale nicht.
Später dann, am Schreibtisch, steigert sich der Schmerz, wird massiv, ich bin überhaupt nicht auf etwas Derartiges vorbereitet, gerate in Panik, kann nicht richtig atmen, komme mir unendlich ausgeliefert und hilflos vor und fühle nur diesen wahnsinnigen Schmerz hinterm Brustbein. Herzinfarktpatienten haben in dieser Situation Todesangst.
Notruf
Meine Tochter bemerkt, dass ich in akuter Gefahr bin. Sie ist diejenige, die Hilfe holen muss. Sie ruft den Rettungsdienst an: 112 und bleibt zur Beruhigung in meiner Nähe. Ich bekomme mit, wie sie die notwendigen Angaben durchgibt: Adresse, Name; die Daten über mich, die Patientin, werden durch das präzise Nachfragen der Leitstelle klarer. Meine Tochter gibt Auskunft darüber, seit wann ich in diesem Zustand bin, ob ich ansprechbar bin, wo und was die Beschwerden genau sind. „Ja, ich bleibe bei meiner Mutter und beruhige sie; das Telefon ist in meiner Reichweite.“ Mit diesen Worten beendet sie den Notruf.
Leitstelle
Ich weiß, was jetzt auf der Leitstelle geschieht: Schon während der Notruf geführt wird, sucht der Computer die zuständige, also die nächstgelegene Rettungswache heraus. Dorthin setzt der Mitarbeiter der Leitstelle die Meldung über den Notruf ab. Über einen Pager, den „Piepser“, empfängt die Rettungswache die nur drei Zeilen umfassende Meldung: Neben Namen und Adresse, Uhrzeit und Datum erscheint ein Alarmstichwort auf dem Display, das den Rettungsassistenten den entsprechenden Hinweis auf den Notfall gibt.
Dieses Stichwort entscheidet auch darüber, ob die Leitstelle gleichzeitig den Notarzt, der mit dem NEF seinen Standort am Krankenhaus hat, zu dem Notfall schickt. In meinem Fall, also akuter Brustschmerz, sind der Rettungswagen und das Notarzteinsatzfahrzeug einzusetzen.
Ankunft
Als es klingelt, verwandle ich mich wieder in die Patientin. Die zwei Männer vom Rettungswagen kommen direkt auf mich zu, einer trägt einen großen Koffer. Noch während sie sich vorstellen, beginnen Sie schon mit den notwendigen Maßnahmen: um meinen rechten Oberarm kommt die Manschette, um den Blutdruck zu überprüfen; an den rechten Finger wird der „Fingerhut“ geklemmt, eine elektronische Vorrichtung, um den Sättigungsgehalt des Sauerstoffs im Blut zu kontrollieren; um meine Atemnot zu verringern, wird mir eine „Nasenbrille“ angelegt. Das ist ein kleiner Schlauch, der die Luft direkt in die Nase leitet – nicht gerade angenehm, diese Halterung um den Kopf.
Überhaupt registriere ich, dass mit mir jetzt lauter Dinge geschehen, auf die ich keinen Einfluss mehr habe. Während Herr Panter, den Namen habe ich mir gemerkt, die ganze Zeit beruhigend auf mich einredet, fühle ich, wie an meinem Arm, am Bein, um meine Herzgegend lauter kleine Pads aufgeklebt werden. „Aha“, denke ich, das ist für die Verkabelung mit dem EKG. Als ich das nächste Mal aufblicke, steht die Notärztin neben mir, neben ihr kniet ein weiterer Rettungsassistent vor einem, wie mir scheint, riesigen, geöffneten Medikamentenkoffer.
Die Notärztin
Die Notärztin stellt sich vor und fragt, wie ich mich fühle, sie will beruhigen, verspricht, dass ich mich gleich besser fühlen werde. Erklärt mir, dass ich vermutlich einen Herzinfarkt habe, und sie mir jetzt Medikamente gegen den Schmerz, die Angst und für mein Herz geben wird. Dafür werde sie mir einen venösen Zugang legen. „Spritze“, denke ich, „na ja, das haben wir ja abgesprochen, dass wir die Nadel natürlich bei dieser Aktion nicht in die Vene einführen.“